Dauer für Urheberrecht
Ewig minus ein Tag
Im deutschen Recht ist es eindeutig geregelt. "Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des
Urhebers", so steht es im §64 des Urheberrechts. Aber das war nicht immer so. Eine solche
Periode ist willkürlich gesetzt und der Schutzzeitraum des Urheberrechtes wurde im Laufe
der Jahrhunderte kontinuierlich heraufgesetzt.
Dabei wurde vor der Einführung des Copyrights und des Urheberrechtes sogar die Frage
heftig diskutiert, ob es überhaupt einen Schutz geben dürfte.
Auch Thomas Jefferson, der dritte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,
in dessen Amtszeit die Einführung des Copyrights fiel, stand einem Urheberrecht ebenso
wie einem Patentrecht sehr skeptisch gegenüber, wie man einem Brief an
Isaac McPherson entnehmen kann:
"Wenn die Natur ein Ding am wenigsten tauglich für alleiniges Eigentum gemacht hat, so ist das die
denkende Kraft, die man "Idee" nennt, die ein Individuum nur solange alleinig besitzt, solange es
sie für sich behält; aber in dem Moment, in dem sie ausgeplaudert wird, bringt sie sich selbst in
den Besitz eines jeden, und der Empfänger kann sich ihrer nicht entledigen. Ebenso ist es ihr
eigentümlich, dass niemand weniger besitzt, denn jeder besitzt sie als ganzes. Der, der eine
Idee von mir erhält, erhält damit Unterweisungen für sich selbst, ohne mich um meine zu bringen,
so wie der, der seine Fackel an meiner entzündet, das Licht empfängt, ohne mich ins Dunkel zu
stürzen. Dass sich Ideen frei vom einem zum anderen über den Erdball verbreiten sollen, zur
moralischen und gegenseitigen Anleitung des Menschen, und der Verbesserung seiner Lebensumstände,
scheint einzigartig und gütig von der Natur eingerichtet worden zu sein. ... Erfindungen können
also, ihrer Natur nach, kein besitzbares Gut sein."
Die Skepsis des Präsidenten Jefferson floss auch in die Verfassung ein, wie man es bei Loren lesen
kann: "Die Gestalter der Verfassung der Vereinigten Staaten, denen alle Monopole von Anfang an
verdächtig waren, kannten die Geschichte des Copyrights
als ein Werkzeug der Zensur und der Pressekontrolle.
Sie wollten sicherstellen, dass das Copyright in den Vereinigten Staaten
nicht als Mittel der Unterdrückung und Zensur eingesetzt würde.
Deshalb stellten sie ausdrücklich eine Zweckbestimmung für das Copyright zur Verfügung:
den Fortschritt des Wissens und der Bildung [...] Die Förderung des Fortschritts bei Wissen und
Bildung wurde bewerkstelligt indem man 'den Auoren für eine begrenzte Zeit ... das exklusive Recht an
ihrem ... Schriften sichert.' Das Monopol des Copyrightes wurde toleriert, aber nur als
Mittel zum Zweck."1
Im Jahre 1992 brachte es auch Richter Walker am amerikanischen Bundesberufunngsgerichtshof auf den
Punkt: "Das Copyright-Gesetz versucht ein heikles Gleichgewicht herzustellen. Auf der einen Seite
gewährt es Autoren Schutz als Anreiz zum Schaffen und auf der anderen Seite muss es in angemessener
Weise das Ausmaß dieses Schutzes begrenzen, um die Effekte einer monopolistischen Stagnation zu
vermeiden. Wenn Gerichte dieses Bundesgesetz auf neue Fälle anwenden, müssen sie immer diese
Symmetrie im Kopf haben."2
In der Frage, wie lange Patente oder Copyrights währen sollen, bringt Jefferson einen völlig neuen
Gedanken in die Diskussion,
der leider in unserer Zeit wieder nahzu in Vergessenheit geraten scheint. In einem Brief an Madison
postuliert er, dass die Erde in ihrem Nießbrauch den Lebenden gehören soll und dass die Toten weder
Macht noch Rechte über sie haben sollten. Jefferson schlägt vor, dass die Dauer des Zeitraums für
das Copyright über Sterbetafeln berechnet werden sollte. Er schlug vor den Zeitraum zu nehmen, nachdem
die Mehrheit der 21-jährigen tot to sein würden. Er verwendete statistische Unterlagen von M. de Buffon nach
denen 50 % der 21-jährigen nach 18 Jahren und 8 Monaten tot sein würden. Deshalb schlug er für das
neue Gesetz zum Schutz des Copyrights und neuer Erfindungen einen Zeitraum von 19 Jahren vor.
Die Verfassung von 1790 gewährte den Autoren, Künstlern und Wisenschaftleren dann jedoch nur einen
Schutzzeitraum von 14 Jahren für das Copyright und die Patente. Dieser
Zeitraum konnte aber auf Wunsch einmal um weitere 14 Jahre verlängert werden. 1831 weiterte man
die erste Periode auf 28 Jahre aus, die Verlängerungsoption blieb jedoch bei 14 Jahren. 1909 wurde das Copyright
von 14 auf 28 Jahre hochgeschraubt, d.h. 28 Jahre Urheberrechtsschutz nach Entstehung
des Werkes, dann die Option diese Frist um weitere 28 Jahre zu verlängern. 1976 wurde die Frist im
amerikanischen Recht auf 50 Jahre erweitert.
Würde man Jeffersons Berechnungsmethode für die Dauer des Schutzes heute in den USA ansetzen, käme man
lediglich auf einen Schutzzeitraum von 30 bis 35 Jahre.3
Die deutschen Schutzfristen wurden auch im Laufe der Zeit immer weiter nach oben geschraubt: Im Literatururhebergesetz
von 1870 und 1901 betrug die Schutzfrist 30 Jahre p.m.a. (post mortem auctoris, also "nach dem Tod des Autors)
1934 wurde sie auf 50 Jahre p.m.a. und 1965 auf 70 Jahre p.m.a. heraufgesetzt (§ 64 UrhG). Machen wir ein
kleines Rechenspiel: Ein Autor schreibt mit zwanzig einen Roman, der sofort veröffentlicht wird. Stirbt
dieser Autor mit 90, erhalten wir einen urheberrechtlichen Schutz von insgesamt 140 Jahren. Bei dem
mittleren Generationenabstand on Deutschland von zur Zeit 36,5 Jahren erstreckt sich das Urheberrecht
als über nahezu 4 Generationen. Wir erinnern uns: Jefferson forderte, dass die folgende Generation
keine Schulden und Verpflichtungen der aufgebürdet bekommen soll. Die Toten sollten keine Macht und
keine Rechte über die Lebenden haben!
Es gibt weitere Tendenzen den Zeitraum anzuheben. Wenn es nach den Rechteverwertern ginge, würde man
das Urheberrecht auf ewig hochsetzen, so wie es beispielsweise Sony verlangte. Jack Valenti, als Chef
der MPAA (Motion Picture Association of America), ist etwas bescheidener: Er verlangt "ewig weniger
einen Tag" (forever less than one day).4 Würde man diesen Wünschen nachgeben und würde man gleichzeitig
auch bereits abgelaufene Copyright-Ansprüche wieder entsprechend des neuen Geltungszeitraumes aufleben
lassen, ständen plötzlich selbst Höhlenmalerein aus der Steinzeit wieder unter Urheberrechtsschutz.
Die Frage wäre nur, wer der rechtmäßige Inhaber wäre.