Zur Einführung

Dieses Kapitel wollen wir mit einem Auszug aus einem Brief von Professor Donald Knuth, Stanford University, an das amerikanische Patent Office beginnen:1
"Man sagte mir, dass die Gerichte versuchten einen Unterschied zwischen mathematischen Algorithmen und nicht-mathematischen Algorithmen zu machen. Für einen Informatiker ergibt das keinen Sinn, weil jeder Algorithmus so mathematisch ist, wie nur irgendetwas sein kann. Ein Algrothmus ist ein abstraktes Konzept, ohne Bezug zu den physikalischen Gesetzen des Universums"2
Algorithmen in mathematische und nicht-mathematische zu unterscheiden, sie so absurd wie die Regelung der mittelalterlichen Kirche, dass sich die Sonne um die Erde drehe.
Gegen Ende seines Briefes schreibt er schließlich: "Wenn ich an die Computer-Programme denke, die ich täglich brauche um meine Arbeit zu erledigen, kann ich nicht anders als feststellen, dass keines von Ihnen heute existieren würde, wenn in den 60er oder 70er-Jahren Software-Patente allgemein verbreitet gewesen wären. [...] Wenn der gegenwärtige Trend anhält, wird die einzige Zuflucht'für die Mehrheit der brillianten amerikanischen Entwickler darin liegen, Software aufzugeben oder zu emigrieren.

Donald Knuth versteht sich wie kein anderer in der Kunst des Programmierens. Von ihm stammt eines der besten zwölf Bücher aufgestellt vom "American Scientist" aus dem Bereich physikalische-wissenschaftliche Werke. Er wird dabei in einer Reihe mit Dirac, Einstein, Mandelbrot, Pauling, Russell, von Neumann und Feynman genannt.

Software-Patente

Im offiziellen Sprachgebrauch wird nicht von Softwarepatenten sondern von "Computerimplementierten Erfindungen" gesprochen. Damit wollen die Befürworter von Patenten auf Software darstellen, dass es keine Patente auf "reine Software" gibt bzw. geben wird. In dem Softwarepatent-Richtlinienvorschlag der EU spricht man auch nur von "Computerimplementierte Erfindungen", womit Software gemeint sein soll, die zusammen mit Geräten genutzt wird, also die programmierbare bzw. programmgesteuerte Waschmaschine, Mobiltelefone und dergleichen.
Das FFII (Foundation for a Free Information Infrastructure e.V.) schreibt dazu: "Der Begriff "computer-implementierte Erfindung" ist dem Computer-Fachmann nicht geläufig. Er ist in der Tat überhaupt nicht im allgemeinen Gebrauch. Er wurde vom Europäischen Patentamt (EPA) im Mai 2000 in Anhang 6 der Akte zur Trilateralen Konferenz eingeführt, wo er dazu diente, die Patentierbarkeit "computer-implementierter Geschäftsmethoden" zu legitimieren, um die Europäische Praxis in Einklang mit der der USA und Japans zu bringen. ... Der Begriff "computer-implementierte Erfindung" impliziert, dass in Begriffen des Universalrechners formulierte Algorithmen und Geschäftsmethoden patentfähige Erfindungen sind. Diese Implikation steht im Widerspruch zu Art 52 EPÜ, demzufolge Algorithmen, Geschäftsmethoden und Programme für Datenverarbeitungsanlagen keine Erfindungen im Sinne des Patentrechts sind."3

Vergleich mit literarischen Werken

Man stelle sich vor, es würden Patente auf literarische Werke gewährt. Es gäbe dann beispielswiese Patente der Art: "Neuartige Kriminalstory, in der ein Ermordeter und mindestens drei Verdächtige, ...."
Einen großen Vorteil hätte es. Niemand fühlte sich mehr von einem übergroßen Angebot in den Buchhandlungen erschlagen. Das Angebot würde sehr schnell äußerst überschaubar.

Manche werden nun den Vergleich von literarischen Werken mit Computerprogrammen als sehr weit hergeholt empfinden. Aber dieser Vergleich kommt nicht aus der Anti-Patent-Ecke sondern von der EU genauer gesagt aus der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen.
Dort heißt es wörtlich: "Der Rechtsrahmen der Gemeinschaft für den Schutz von Computerprogrammen kann somit zunächst darauf beschränkt werden, grundsätzlich festzulegen, daß die Mitgliedstaaten Computerprogrammen als Werke der Literatur Urheberrechtsschutz gewähren." Im Artikel 1 "Gegenstand des Schutzes" wird dieser Gedanke nochmals formuliert:

(1) Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff "Computerprogramm" duch das Entwurfsmaterial zu ihrer Vorbereitung.
(2) Der gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt.

Allerdings wird dann in Artikel 9 die Anwendung weiterer Rechtsvorschriften nicht ausgeschlossen:
"(1) Die Bestimmungen dieser Richtlinie stehen sonstigen Rechtsvorschriften, so für Patentrechte, Warenzeichen, unlauteres Wettbewerbsverhalten, Geschäftsgeheimnisse und den Schutz von Halbleiterprodukten, sowie dem Vertragsrecht nicht entgegen. "







1 Brief von Professor Donald Knuth, Stanford University, an das US amerikanische Patent-Amt. Verschickt im Februar 1994
2 "I am told that the courts are trying to make a distinction between mathematical algorithms and nonmathematical algorithms. To a computer scientist, this makes no sense, because every algorithm is as mathematical as anything could be. An algorithm is an abstract concept unrelated to physical laws of the universe."

3 http://eupat.ffii.org/papers/eubsa-swpat0202/kinv/index.de.html