Alternativer Umgang

Printing Press, Public Domain, Wikimedia

Die Geschäftsmodelle der traditionellen Musikindustrie und des klassische Verlagswesens basieren auf tradierten Arbeitsweisen. Dabei handelt es sich um Vorgehensweisen, die sich teilweise über Jahrhunderte bewährt hatten, d.h. vor allen Verlegern und Produzenten saftige Gewinne aber auch den Künstlern ein erträgliches Einkommen gesichert hatten. Immaterielle Schöpfigungen wie literarische Werke oder musikalische Kompositionen konnten nur mittels materieller Träger, wie papiergebundene Bücher oder Schallplatten, verbreitet werden. Die Erzeugung dieser Träger bildeten eine hohe investitionelle Einstiegshürde, die vor allem der Musikindustrie die Bildung eines Oligopols erlaubte, d.h. seit dem Zusammenschluss von Sony Music und der Bertelsmann Music Group (BMG) dominieren vier große Konzerne 75% des Weltmarktes: EMI Music, die Universal Music Group, Warner Music sowie SonyBMG

Aber der rasante technische Fortschritt des 20sten Jahrhunderts senkte die Eintrittsbarrieren für den Einstieg in den Markt. Mit dem Einzug der Computer in die Privathaushalte und der Entstehung des Internet bedarf es prinzipiell keiner materiellen Träger mehr um geistige Schöpfungen zu verbreiten. Das bedeutet, dass es bei der Verbreitung von Kunst die technischen Nebenkosten gegen Null gehen. Die Musikindustrie und das Verlagswesen hat also ihr technisches Monopol verloren. Jeder kann nun seinen Roman oder seine musikalische Komposition im Internet veröffentlichen. Aber mit der Veröffentlichung alleine ist es natrülich nicht getan. Das Werk muss gefunden werden, und der Schöpfer benötigt eine Bezahlung in irgendeiner Form. Im folgenden stellen wir verschiedene erfolgversprechende Systeme vor, um Musik oder Literatur zu veröffentlichen.

PWYW - Pay-What-You-Want

Pay-What-You-Want (PWYW, Zahle-was-Du-willst) ist ein Preismodell, bei dem der Käufer ohne Einwirkung des Verkäufers den Preis festlegen kann.
Pay-What-You-Want (PWYW, Zahle-was-Du-willst) ist ein Preismodell, bei dem der Käufer ohne Einwirkung des Verkäufers den Preis festlegen kann. Häufig gibt der Verkäufer einen Richtpreis an, der aber für den Käufer völlig unverbindlich ist. Der Käufer hat sogar die Möglichkeit das Produkt zum Nullpreis zu erwerben, d.h. er zahlt nichts.

Das bekanntestes Beispiel für dieses Modell dürfte wohl die britische Band Radiohead geliefert haben. Ihr Album "In Rainbows" boten Sie nach dem PWYW-Modell zum Herunterladen auf Ihrer Webseite an. Leider gibt es zu diesem "Experiment" keine abschließenden Angaben über den finanziellen Erfolg. Das Unternehmen comScore untersuchte das Verhalten der Besucher der "In Rainbows"-Webseite1: Nach dieser Studie haben weltweit 38 % für Ihren Download bezahlt, während 62 % nichts zahlten. Dennoch war es ein Erfolg für die Band: Der Durchschnitt derer, die zahlten, lag immerhin bei 6 $ weltweit (in den USA sogar bei 8,05 $). Was ist mit denjenigen, die nichts gezahlt haben. Hierfür gibt es viele Gründe:
  • Eigentlich keine Fans von Radiohead. Sie wollten nur mal reinhören. Quasi wie ein Anhören im konventionellen Musikladen
  • die schlechte Soundqualität, nur 160 kbps
  • Man hatte sich das Album zwar heruntergeladen, wollte aber später sich noch das "richtige" Album kaufen. Man hätte sonst zweimal zahlen müssen.

The Indelicates

The Indelicates Ein weiteres erfolgreiches Beispiel für diese PWYW-Methode lieferte die britische Band "The Indelicates". Gegründet wurde die Band 2005 von dem Songwriter und Ex-Comedian Simon Clayton und der Sängerin und Pianistin Julia Clark Lowes. Auf ihren Alben firmieren die beiden als Julia and Simon Indelicate. Musikalisch bewegt sie sich die Band zwischen verschiedenen Stilen: Rock, Folk, Punk und Noiserock. Bereits ihre erste Single "We Hate the Kids" wurde von den Kritikern sehr erfolgreich aufgenommen. Das britische Musikmagazin NME bezeichnet den Tiel als "überwältigend" by the NME, "hochgradig erfrischend und aufregend" urteilte der New Statesman und Rolling Stone sprach von der "ersten großartigen Band" von 2006.

Bemerkenswert an den Titeln der Indelicates sind neben der Musik auch die teilweise sehr zynischen und sarkastischen Texte, die wohl von vielen Radiostantionen deswegen nicht gespielt werden.

Außerordentlich sind auch die Vertriebswege, die die Indelicates gewählt haben. Statt weiter wie anfangs auf einen konventionellen Plattenvertrag zu vertrauen, haben sie ein eigenes Label "Corporate Records" gegründet und ihr neues Album "Songs for Swinging Lovers" kann auf der Basis von PWYW (Pay What you Want) erworben werden. Corporate Records dient nicht nur der Vermarktung der eigenen Musik der Indelicates sondern steht ebenso offen für andere Bands.
Wir haben Simon Delicates zu Fragen von Geistigem Eigentum und neuen Vertriebswegen befragt: Das Interview in voller Länge in Deutsch und im Original in Englisch.

Magnatune

"We are not evil" und darunter verstehen die Betreiber von Magnatune, dass sie sowohl ihre Künstler als auch ihre Kunden fair behandelt.
"Wir sind nicht böse" ("We are not evil") rühmt sich - wohl zu Recht - das Independent-Label Magnatune aus Kalifornien auf seiner Webseite. Nicht böse, wie die Musikindustrie, meinen sie, schreiben es aber nicht. Sie wollen damit vielmehr betonen, dass sie sowohl ihre Künstler als auch ihre Kunden fair behandeln. Zum einen müssen die Künstler Magnatune nicht ihr Copyright übertragen und zum anderen werden sie nicht durch Exklusivverträge bzw. Knebelverträge gebunden, wie es in der traditionellen Musikindustrie üblich ist. Kunden können die Musik kostenlos, in voller Länge und unbeschränkt probehören, d.h. sie können die Musik bereits vor dem Bezahlen herunterladen! Außerdem erfolgt dies noch in einer hervorragenden Qualität. Kauft man ein Album kann man es in einem verlustfreien Format wie WAV (44k/16bit) oder FLAC herunterladen, oder 320 kb MP3. Es versteht sich von selbst, dass die Musik ohne DRM vertrieben wird. Ebenso kann man die MP3s ohne jegliche Einschränkung auf allen Medien abspielen, also beispielsweise auf einem iPod oder Android-Handy. So, und hier geht es zu Magnatune. Ach so, hätten wir fast vergessen: Wenn sie ein Album bei Magnatune gekauft haben, dürfen Sie es völlig legal - sie werden sogar von Magnatune dazu aufgefordert - kostenlos an Freunde weitergeben!




1 comScore, Press Release, 5. November 2007

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